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Virtuelle Realität in Berlin
Ein Bericht über den Stand des kommerziellen Einsatz von VR-Technologien im Jahre 1994 in Berlin.

Hey - das ist schon längst wieder Geschichte...!


Virtuelle Realität in Berlin

BERICHT ÜBER DEN STAND DES KOMMERZIELLEN EINSATZES
Von Achmed A.W. Khammas - Juli 1994

Seit geraumer Zeit kursieren Begriffe wie 'Virtuelle Realität (VR)', 'Cyberspace' oder 'Künstliche Welten' durch Medien und Szenen. Es geht dabei um das Betreten simulierter dreidimensionaler Räume, die durch ausgefeilte Programme in leistungsstarken Rechnern erzeugt werden. Der Zugang in diese Räume erfolgt durch das Anlegen der 'eyephones', einer helmartigen Brille mit eingelassenen Mini-LCD-Farbbildschirmen (einer für jedes Auge, womit räumliches Sehen erreicht wird) und dem 'dataglove', einem sensorbestückten Handschuh zur Erteilung von Steuerbefehlen. Andere Systeme werden mit dem Joystick oder vergleichbaren Eingabegeräten gesteuert, über diese erfolgt auch das simulierte Manövrieren im Cyberspace. Stationäre Positionssensoren und das akustisches Feedback durch im Helm integrierte Kopfhörer vervollständigen das Equipment.

Sobald man das Programm startet, findet man sich in den simulierten Räumen wieder, man kann sich umdrehen, nach oben und nach unten schauen. Die Positionssensoren informieren den Rechner über jede diesbezügliche Änderung, worauf das Videobild innerhalb des Helmes den entsprechenden Blickwinkel zeigt. Damit wird eine Orientierung innerhalb der künstlichen Welt möglich.

Als wichtigste Anwendungsgebiete der VR-Technologie gelten heute -neben dem militärischen Bereich- hauptsächlich Architektur und Medizin, Luftleitsysteme, Flugsimulatoren und die Fernsteuerung von Robotern. Wie die Entwicklung mittelfristig vorangehen wird, wagt zur Zeit noch niemand vorauszusagen. Einen steigenden Stellenwert bekommt die VR-Technologie indes schon heute im Bereich Unterhaltung, wobei die betreffenden Unternehmen sehr bewußt daran arbeiten, von dem abträglichen Image zwielichtiger Spielhallen wegzukommen.

Das erste kommerzielle 'Cyberspacemodul' wurde im August 1991 auf einer Städtetournee der Firma Philip Morris vorgeführt, allerdings konnte die damals gezeigte Software noch nicht überzeugen (Organisation: Häberlein & Mauerer, Agentur für Kommunikation, Franz-Joseph-Str.1, 80801 München). Dies hat sich inzwischen jedoch grundlegend verändert. Während in den Vereinigten Staaten und in Japan viele Pläne und noch mehr Versprechungen gemacht wurden, entwickelte die Britische Firma W Industries Ltd. in Leicester in aller Stille und sehr erfolgreich die ersten kommerziellen, serienmäßig herzustellenden und benutzerfreundlichen Spielkonsolen. Modernes Design, robuste Ausführung und ansprechende Software zeichnen diese Geräte aus, die sich bereits in London und einigen anderen Städten des Kontinents beweisen konnten. In Deutschland sind die ersten Geräte 1992 in Mainz und Kaiserslautern, Anfang 1993 auch in Hamburg aufgestellt worden. (Distributor für Deutschland und Österreich: CYBERSPACE GmbH, computertechnik-vertrieb, Trabenerstr. 12, 14193 Berlin, Tel.: 030/893 43 68, Fax: 030/891 95 02).

In Berlin haben sich Ende 1993 bereits drei Unternehmen mit VR-Maschinen ausgestattet:
Den Beginn machte das CYBERSPACE-CAFE mit zwei Spielkonsolen. in der Nähe des Bahnhof Zoo Nach den üblichen Startschwierigkeiten erfolgte dann recht schnell der Umzug in nahegelegene wesentlich größere Räumlichkeiten, in denen nun vier Stand- und zwei Sitzkonsolen aufgestellt werden konnten. Das Cafe zielt auf jüngere Disco-Kundschaft, dementsprechend laut ist auch die Musik. Neben den VR-Spielen wurden allerdings auch drei Billiardtische aufgestellt, was recht unpassend wirkt. (Hardenbergstr.29, 10623 Berlin, Telefon: 030/261 98 28, Fax 030/264 53 34, 14:00-24:00). Ebenfalls mit zwei VR-Standkonsolen begann FUTURE WORLD im Europacenter, auch hier ist aufgrund steigender Nachfrage derzeit ein Umzug in andere Räume im Gange (noch: Europacenter, 1. OG, 10789 Berlin, Tel. & Fax: 030/265 20 51).

Beide Unternehmen betreiben die "Virtuality-Maschine CYBER 1000 CS" von W Industries mit der Software 'Dactyl Nightmare'. Laut Hersteller sind schon mehrere hundert dieser Cyberspacemodule verkauft worden. Die Preise pro 3-Minuten-Spiel variieren zwischen 7.- und 8.- DM. Günstiger sind 5er und 10er Sammelkarten, bei denen es dann zwischen 5,50 und 6,50 DM pro Spiel kostet. Im Cyberspace-Cafe bekam man in den ersten Wochen beim Kauf einer dieser Sammelkarten ein T-Shirt oder eine Basketballmütze mit entsprechendem Werbeaufdruck. An der Theke gibt es Kaffee, alkoholfreie Getränke und Dosenbier.

Es empfiehlt sich, auf diesen VR-Maschinen zu Mehreren und zusammengekoppelt zu spielen, da der vom Computer gesteuerte 'Roboter' innerhalb der Spielwelt eher träge agiert. Außerdem besteht zwischen den Spielern eine akustische Verbindung, die den Spaß am gemeinsamen Erleben beträchtlich verstärkt !

Ein Situationsbild mag einen kurzen Einblick in diese Software (Dactyl Nightmare) geben:

Ich befinde mich auf einer viereckigen Ebene, an deren Seiten breite Treppenstufen zu anderen Ebenen hinauf führen. Irgendwo über meinem Kopf schwebt ein hungriger drachenartiger und feuerspeiender Acropolis; wenn ich nicht aufpasse (schneller Blick nach oben), packt er mich und läßt mich dann aus großer Höhe herunterfallen. Mit einem Daumendruck bewege ich mich vorwärts, die ausgestreckte Hand definiert meine Richtung. Ich steige die Treppe hoch und betrete eine der schwebenden Plattformen, mit denen man die gegenüberliegende Ebene erreichen kann. Hinter dem Rand dieser Welt ist ein schwarzes Nichts mit funkelnden Sternen.
Ich drehe den Kopf und sehe endlich meinen Mitspieler -richtiger seine Simulation- neben einer gelben Pyramide stehen. Mein erster Schuß platzt viel zu nah, doch nun hat auch er mich im Visier. Ich ducke mich und versuche eine schützende Säule zu erreichen, doch aus dem Helm übertönt sein triumphierendes Lachen die elektronische Hintergrundmusik, ...während der Treffer meinen Körper in seine CAD-gezeichneten Bestandteile zerlegt.
Doch kurz darauf werde ich wundersam wieder zusammengesetzt... das Spiel geht weiter - und diesmal erwische ich ihn !

(Originalton eines Besuchers zu 'Dactyl Nightmare': "Klar, die Software bekommt bestimmt keinen Friedenspreis, aber es hat mir noch nie soviel Spaß gemacht, jemanden abzuschießen. Besonders, weil man sich ja nach dem Duell freundschaftlich die Hand reichen kann. Und es gefällt mir auch viel besser, als die normalen, zweidimensionalen Videospiele").


Im Oktober 1993 eröffnete dann das großzügig und geschmackvoll eingerichtete VIRTUALITY CAFÉ; günstig gelegen am westlichen Kurfürstendamm, direkt am U-Bahnhof Adenauerplatz (Geschäftsführer: Ingmar und Holger Timm, Adresse: Lewishamstr.1, 10629 Berlin, Tel.: 030/327 51 43, Fax: 030/327 51 44). Hier wurde erstmals ein neues Grundkonzept ausgeführt : VR-Spiele sollen etwas für die ganze Familie sein, die Örtlichkeit möglichst weitläufig, angenehm ausgeleuchtet und z.B. zur Straße hin durch eine Gesamtverglasung werbewirksam auch gut einsehbar.

Das Virtuality Café bietet eine gutbestückte Getränkekarte, es gibt einen gesonderten Sitzbereich mit mehreren Tischen, eine stabile Theke in Form eines 10 Meter langen schwebenden Stahltresens - und eine Behindertentoilette(!). Das angenehme Ambiente ist eine erfolgreiche Mischung aus futuristischen Elementen in gediegener Ausführung, die Bedienung ist freundlich, man hört Rock-Musik in dezenter Lautstärke, während die ziemlich laute Geräuschkulisse der Spiele auf die helmbewehrten Spieler selbst begrenzt bleibt. Auf verschiedenen Monitoren und einer großen Projektsionsfläche kann auch der unbeteiligte Zuschauer hautnah miterleben, was den einzelnen Spielern auf ihren Reisen im elektronischen Datenland gerade alles so widerfährt.

Das auch technisch wesentlich umfangreicher ausgestatte Virtuality Café charakterisiert wohl am ehesten, worin der Unterhaltungswert der neuen und virtuellen Realität liegt - und wo ihre Zukunft. Neben vier der bereits beschriebenen 'Cyber 1000'-Standgeräte, gibt es hier auch schon die Nachfolgemodelle der 2000er Serie mit einer ultraleichten 'Visette', die den klobigen Datenhelm ersetzt. Außerdem steht hier ein in Deutschland bisher einmaliges 'Head-4-Head'-System für bis zu vier Mitspieler. Dabei handelt es sich um vier sternförmig angeordnete Sitzkonsolen, auf denen die Software 'Flying Aces' läuft: Auf der separaten 'Preplay-Konsole' geben die Mitspieler ihre Namen ein und wählen sich eine von vier Fliegerpersönlichkeiten aus dem 1. Weltkrieg: Zur Auswahl stehen ein Italiener, ein Engländer, ein Franzose und ein Amerikaner. Sobald man sich selbst hin- und den Sichthelm aufgesetzt hat, rollt die ausgewählte Maschine aus dem Hangar. Die beiden Ausfahrtstore links und rechts symbolisieren dabei die zwei unterschiedlichen Spielstufen 'Kadett' oder 'Ass'. Ein innerhalb der Simulation 'hinten' sitzender Kopilot, zu dem man sich natürlich auch umdrehen kann (!), gibt mit entsprechend national gefärbtem Akzent Tips und Warnungen, während man selber mit dem Joystick in der rechten und dem Gashebel in der linken Hand versuchen muß, deutsche Flieger (Modell Roter Baron), Zeppeline und Sperrballone - oder aber auch die alliierten Mitspieler vom Himmel zu holen.

Die Highlights des Geschehens lassen sich im nachhinein auf einer ebenfalls separaten 'Replay-Konsole' gemeinsam betrachten, dort erscheinen auch die Treffer und Abschüsse mit witzigen Animationen auf einem zweiten, kleineren Punktestand-Monitor.

Die Virtuelle Realität ist ein neues Gesellschaftsspiel für Erwachsene und Jugendliche gleichermaßen. Verschiedene Personen können sich im Cyberspace zusammenschalten und gemeinsam -oder gegeneinander- agieren. Man kann sicher sein, daß innerhalb weniger Jahre auch kooperative Spielprogramme angeboten werden, die dann auch nicht mehr viel mit den heutigen 'Schieß- und Renn'-Spielen gemein haben werden.

Im VIRTUALITY-CAFÉ läuft auf den 1000er Standgeräten neben dem oben beschriebenen Programm 'Dactyl Nightmare' (4 Minuten für 7.- DM) auch die Software-Spiele 'Grid Buster', 'Exorex', 'Battlesphere' und das Schwerter & Zauber-Abenteuerspiel 'Legend Quest', das über mehrere Ebenen geht und bei dem der jeweilige Spielstand auf einem einmalig zu kaufenden und später auch jederzeit wieder nachladbaren Mikrochipschlüssel gespeichert wird (Schlüssel: 20,- DM, 20 Minuten Spielzeit kosten beispielsweise 33.- DM). Auf den 2000er Konsolen läuft wahlweise die Software 'Zone Hunter', 'Virtuality Boxing' oder 'X-treme Strike'.

Das VIRTUALITY CAFÉ bietet als Souveniers bedruckte T- und S-Shirts an (18.- bzw. 38.- DM), außerdem gibt es mit dem Emblem bedruckte Kaffeebecher in vielen Farben (4.- DM) und Aschenbecher (3.- DM). Öffnungszeiten sind täglich von 14:00 bis - Open End !


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